Der Staat sollte eine Vermittlerrolle einnehmen

Hier ein persönlicher Kommentar zum Interview mit Staatssekretär Markus Kerber (s. unten) Marus Kerber ist Staatssekräter im Bundesinnenministerium und Koordinator der Deutschen Islamkonferenz (DIK) : Ich denke es ist wichtig und unerlässlich, dass der deutsche Staat seine Rolle als Vermittler ausfüllt, wenn es darum geht Vertreter von unterschiedlichen muslimischen Organisationen zusammenzubringen bzw. Gespräche zu initieren, denn ohne dies kommt der innermuslimische Dialog nicht in gang – leider. Zu sehr überwiegen die Egoismen und die Engstirnigkeit sich mit grundsätzlichen Themen, die die Muslime bewegen, zu beschäftigen.

Es ist aber grundsätzlich missverständlich, wenn versucht wird durch „Impulse“ Inhalte und Denkmuster vorzugeben. Denn Impulse zu geben, kann auch heissen Vorgaben machen. Hier würde aber der Staat klar seine Kompetenzen überschreiten. Der Staat sollte (muss) seine Rolle als Mediator und Vermittler einnehmen.

Kerber führt aus: „Einen Islam, dessen Institutionen finanziell und organisatorisch nicht mehr an die Herkunftsländer gebunden sind und dessen Lehren nicht im Widerspruch zum Wertefundament der freiheitlich-säkularen Demokratie stehen“. Auch wenn es wie eine Binsenweisheit klingt: Doch „der Islam“ hat keine Institutionen, die finanziell und organisatorisch an die Herkunftsländer gebunden sind – es sind die Muslime, genauer die muslimischen Verbände die finanziell und organisatorisch an die Herkunftsländer gebunden sind. Und viel wichtiger: Wer bitte sagt uns, der Islam stünde – wie hier angedeutet – „im Widerspruch (zur) freiheitlich-säkularen Demokratie“. Ist nicht genauer dieser Vorbehalt, diese Stigmatisierung der Muslime, der einem Gespräch zwischen dem Staat und den muslimischen Verbänden im Wege steht. Es scheint, dass hier unreflektiert Projektionen aufgeworfen werden, die dann den Dialog eher belasten als ihn fördern. Wie weiter unten im Interview: „Der Staat kann diese Debatten (unter den Muslimen, ihy) aber fördern und er muss dabei deutlich machen: Uns geht es hier auch um die Anerkennung säkularer Werte wie den Vorrang unserer Verfassung vor religiösem Recht und die Gleichberechtigung der Geschlechter“. Mit dieser Aussage wird den Beteiligten grundsätzlich vorgeworfen, dass sie nicht die (unabhängig davon was das genau sein soll) „säkularen Werte“  und die Gleichberechtigung der Geschlechter nicht anerkennen würden. Ein Blick in den Alltag der Muslime, aber auch die Arbeit der Moschee vor Ort zeigt doch ganz deutlich, dass hier Menschen proaktiv an der Ausgestaltung eines muslimischen Lebens mitwirken und keine Anzeichen zu erkennen sind, dass hier gegen Normen des Grundgesetzes verstoßen würde. Zumal das BVG 2000 im Fall der Zeugen Jehovas eine wegweisende Entscheidung hierzu getroffen hat: Religionsgemeinschaften, die als Körperschaft anerkannt werden wollen, müssen rechtstreu sein, die anvertrauten Grundrechte Dritter achten. „Eine darüber hinausgehende Loyalität zum Staat verlangt das Grundgesetz nicht“, so die Richter damals in ihrem Urteil. Ihre Glaubensgrundsätze hat der Staat ebenso wenig zu beurteilen wie ihre Binnenstruktur, denn das verstieße gegen seine Neutralitätspflicht gegenüber allen Religionsgemeinschaften, so die Richter.

Solange es Menschen geben wird, die sich zu ihrer Heimat bzw. der Heimat der Eltern bzw. Großeltern hingezogen fühlen, wird es auch Vereinigungen geben, die enge Kontakte dorthin pflegen werden. Viel wichtiger scheint mir: welches gesellschaftliche und politische Klima herrscht hier, der es evtl. verhindert, dass Menschen sich hier heimisch fühlen können. Welche „Impulse“ muss/sollte der Staat setzen, damit hier eine Willkommenskultur entwickelt, die Muslimen hilft trotz Altagsrassismus und Muslimfeindlichkeit, ein Islam in, aus und für Deutschland zu leben? In einer globalisierten Welt scheint es ein Anachronismus zu sein, von Menschen und ihren Interessenverbänden abzuverlangen, jedwede Kontakte mit ihrer Heimat abzubrechen. Mir scheint es viel wichtiger, dass diese Menschen trotz ihrer Bindung lernen auch ein kritisches Bewusstsein für die Verhältnisse in den Heimatländern zu entwickeln und vor allem Manipulationsversuche zu erkennen, die offensichtlich durch Akteure und Institutionen aus den Heimatländern unternommen werden, um eine Identifikation mit Deutschland zu hintergraben.

In meinem letzten Beitrag hatte ich betont, dass es unser eigenes muslimisches Interesse ist, dass wir Imame brauchen, die Deutsch können, die hier sozialisiert und hier ausgebildet sind. Folglich ist es wichtig, dass Muslime eigene Initiative starten, um hier eigene Interessen und Bedürfnisse zu befriedigen. Folglich ist es begrüßenswert, dass hier der Staat auch seine Grenzen erkennt: „Eine staatliche Ausbildungsregelung für Imame würde der Religionsfreiheit widersprechen“, so Kerber. Wir werden gespannt sein, auf das Imam-Seminar der DITIB in der Eifel, welches Januar 2020 beginnen soll. Aber auch weiterhin drängen und warten, bis die Verbände der VIKZ und IGMG, die ja auch Personal für ihre eigenen Moscheen ausbilden, ihre Ausbildungseinrichtungen und Curricula der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Ihre Glaubensgrundsätze habe der Staat ebenso wenig zu beurteilen wie ihre Binnenstruktur, denn das verstieße gegen seine Neutralitätspflicht gegenüber allen Religionsgemeinschaften.

Wenn einzelne staatliche Akteure auftreten und über „den Islam“, „die Muslime“ sprechen, wird dies in der muslimischen Öffentlichkeit oft so wahrgenommen, als ob hier der Staat mit einer Stimme spricht, und hier den Muslimen Vorgaben gemacht werden, die anderweitig nicht zum Zuge kommen und damit der Staat seine Neutralitätspflicht verletzt.

https://www.islamische-zeitung.de/auf-organisierte-ansprechpartner-angewiesen/

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..